Es war einmal ein tapferer Arbeitsschuh namens „Karl“. Karl war kein gewöhnlicher Schuh – nein, er war der rechte Schuh am Fuß einer Legende! Vor zwei Jahren trat er seinen Dienst an: frisch, robust, mit sauberer Sohle und perfekt geschnürten Ambitionen.
Sein erstes Abenteuer war auf der Baustelle. Dort lernte er das Fürchten: Nägel, Mörtel, verschütteter Kaffee – nichts konnte Karl aufhalten. Einmal trat er sogar heldenhaft in den nassen Zement, um einen fallenden Zollstock zu retten. Das Ergebnis? Eine dauerhafte graue Patina, die er fortan stolz wie eine Narbenmedaille trug.
Doch der wahre Härtetest kam im Winter, als Karl mit seinem Träger auf dem Dach eines Rohbaus stand – bei minus zwölf Grad, in eisigem Wind und einer Schicht aus Eis unter ihm. Plötzlich brach ein Schneesturm los, der eher nach Nordpol als nach Berlin aussah. Karl rutschte, schlitterte, wurde kurzzeitig von einem gefrorenen Zementeimer getroffen und verlor fast den Halt – aber er hielt durch. Bis zum Feierabend stemmte er sich gegen Wind, Frost und dem eisigen Untergrund, der ihn fast zum Ausrutschen brachte. „Nicht heute, Schwerkraft“, knirschte er leise. Und trat entschlossen weiter voran.
Mit der Zeit wurde Karl müde. Die Sohle löste sich, die Zehenkappe lugte hinaus, und die Schnürsenkel beschlossen, künftig als Stolperfallen Karriere zu machen. Doch Karl hielt durch. Jeden Montag, tapfer wie eh und je, stellte er sich der Baustelle.
Doch nun ist es so weit. Karl hat seinen letzten Nagel zertreten, seinen letzten Bohrstaub geatmet. In einer feierlichen Zeremonie mit zwei Kollegen, einer Dose WD-40 und einem halben Meter Isolierband, wurde Karl in den verdienten Ruhestand geschickt.